Seit 20 Jahren wechselt Guido-Mobil-Fahrer Westerwelle seine Positionen wie Hemden. Hauptsache, 2009 wird gelb gewählt. Was konkrete politische Aussagen angeht, ist für Herrn Westerwelle nur eins gewiss: Andrea Nahles' Wandschmuck ist "zum Kotzen".
Was nun ist die Botschaft der FDP? Welches Signal hat der Parteivorsitzende Guido Westerwelle zum Auftakt des Stuttgarter Parteitags der Liberalen gesetzt? Nix genaues weiß man nicht, auch nicht nach 90 Minuten Rede-Show des Parteichefs. Er ist für ein flexibles Rentenalter - näheres erfuhr man nicht. Er plädiert für eine bessere Bildungspolitik, die mit dem wichtigsten deutschen Rohstoff, den Köpfen der Kinder, besser umgeht. Was und wie? Keine Antwort. Natürlich ist er für die "Globalisierung der Menschenrechte." Schön und edel klingt das. Dass auch hierzulande damit im argen liegt, regt Westerwelle weniger auf. Konkret wurde er nur bei der SPD-Linken Andrea Nahles, in deren Zimmer ein Bild von Fidel Castro hängt. Das findet der FDP-Chef "zum Kotzen." Das immerhin war eine klare Ansage.
Bei den politischen Botschaften war präzise nur eine zu hören: Wir wollen wieder regieren. Wir müssen wieder drankommen. Opposition ist Mist. Wie und mit wem, das scheint der FDP egal zu sein. Jedenfalls hat Westerwelle die Koalitionsfrage komplett ausgeklammert. Wir könnten es besser, sagt er. Die Schwarzen können es nicht, die Roten sowieso nicht. Mit wem also wollen es die Liberalen eigentlich besser machen?
15 Prozent schrumpften zu neun
Das Kalkül, alles im Nebel der Unverbindlichkeit zu lassen und auf neue Wähler zu hoffen, wird nicht aufgehen. Zwar hat die FDP in den vergangenen Jahren wieder Fuß gefasst in den Ländern. Sie ist nicht länger die Dame ohne Unterleib. Die Mitgliederentwicklung ist stabil. Aber schon jetzt zeigt sich in den aktuellen Umfragen, dass der Trend wieder nach unten geht. Von den gut 15 Prozent, die sie nach der Bundestagswahl schon hatte, sind gerade noch mal neun Prozent geblieben. Es zeigt sich einmal mehr: Was die CDU hinzu gewinnt, geht vor allem zu Lasten der FDP. Das ist wie bei kommunizierenden Röhren. Nur, eine regierungsfähige schwarz-gelbe Mehrheit wird daraus nicht. Es ist letztlich wie es fast immer in der Geschichte der FDP war, von den Tagen des programmatischen Aufbruchs mit dem Freiburger Programm abgesehen: Sie ist die Partei der gutbürgerlichen Mitte, angepasst an die politischen Mainstreams. Weit entfernt von jenem Geist, den die Parteiväter mit dem Etikett des Freisinns vor sich hertrugen. Fad wie nie zuvor kommt sie daher, etwa wie Anfang der sechziger Jahre, als Ritterkreuzträger Mende die Partei ähnlich stramm und unverbindlich tönen ließ wie heute Westerwelle.
20 Jahre Westerwellismus
Profil? Fehlanzeige. Es ist bezeichnend, wenn Westerwelle sich durch die geplante Schnüffelei in den Computern der Bürger "beunruhigt" sieht. Dass Demonstranten neuerdings mit Tornados bespitzelt werden, hätte bei seinen Altvorderen Gerhart Baum und Burkhard Hirsch Wutanfälle ausgelöst. Der glatte Machtpolitiker ist wegen eigener Standpunktlosigkeit für alles ein bisschen: Für Bürokratieabbau, na klar. Für Reform des Arbeitsmarkt, wie genau erfährt man nicht. Und am undeutlichsten bleibt der FDP-Ruf nach einer Reform des Sozialstaats, denn der genau könnte die bekannte Zahnarztgattin weiterhin abschrecken, die zurzeit ohnehin lieber Grün wählt. Was die CDU von diesem potentiellen Partner denkt, hat soeben der CDU-Wirtschaftsrat mitgeteilt: Die CDU möge sich doch bitte in Richtung Grüne öffnen, eine schwarz-grüne Koalition sei denkbar. Das ist alles andere als eine Vertrauenserklärung in Richtung FDP.
Wer diese Partei wählt, bekommt den bekannten Westerwellismus. Er hat in 20 Jahren seine Positionen wie Hemden gewechselt. Die Wiedergeburt des kantigen liberalen und prinzipientreuen Freisinns ist von ihm nicht zu erwarten. Er will einfach nur drankommen 2009. Egal wie und zu welchen Preisen. Zu genau weiß der schlichte Koalitionstratege Westerwelle, dass seine Tage an der Spitze der Liberalen gezählt sind, wenn er die Rückkehr an die Futtertröge der Macht nicht packt. Zwar würde er dafür am liebsten mit der Union koalieren. Aber man kann wetten, dass er zu allererst seine Macht retten will. Dafür wird er in jedwedes Koalitionsbett steigen, und sei es rot-grün-gelb.
Quelle
stern.de, 15.6.2007