Freitag, 4. Januar 2008

Hirsch: Es fehlen klare Antworten


Ex-Bundestagsvizepräsident nimmt FDP-Chef Westerwelle in Schutz
Moderation: Birgit Kolkmann

Der ehemalige Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch hat die Spitze seiner Partei kritisiert. Bei allen Führungskräften der FDP vermisse er die Nachhaltigkeit der Aussagen. Zu dem Strategiepapier des ehemaligen Parteivorsitzenden Wolfgang Gerhardt meinte Hirsch: "Es lässt mich ein wenig ratlos."

Birgit Kolkmann: Was macht eigentlich die FDP, fragt diese Woche süffisant das Nachrichtenmagazin "Focus". Zentraler Satz: Stell dir vor, es ist FDP und keiner schaut hin - und das, obwohl am Sonntag wieder Dreikönigstreffen in Stuttgart ist, traditionell der Tag, an dem sich die Liberalen zu Jahresbeginn in Szene setzen. In der Bundestagsopposition ist die FDP kaum wahrnehmbar, in den Medien auch nicht. In dieser Woche ist es anders, nicht nur wegen des bevorstehenden Dreikönigstreffens, sondern wegen eines Strategiepapiers, das Ex-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt, jetzt Vorsitzender der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, gerade veröffentlicht hat. Unter dem Titel "Für Freiheit und Fairness" versammelt er alte liberale Forderungen und präsentiert seinen Rücktritt vom Rücktritt, er will nämlich doch wieder für den Bundestag kandidieren. Beim Parteichef Westerwelle kommt das gar nicht gut an, er fühlt sich durch Interviewäußerungen von Gerhardt angegriffen. Wir sind jetzt mit dem FDP-Innenpolitiker und ehemaligen Bundestagsvizepräsidenten Burkhard Hirsch verbunden. Schönen guten Morgen!
Burkhard Hirsch: Schönen guten Morgen!

Kolkmann: Herr Hirsch, wie erklären Sie sich die innerparteiliche Aufregung um das Gerhardt-Papier?
Hirsch: Ja, ich verstehe sie nicht. Ich meine, dass "Focus" mit der FDP nicht sehr freundlich ist, das wissen wir. Jeder soll seinen Beitrag leisten. Wenn man dieses Papier von Herrn Gerhardt liest, dann muss ich sagen, es lässt mich ein bisschen ratlos, nicht wegen einer angekündigten Kandidatur, sondern es endet ja mit der Aufforderung, dass politische Führung bedeutet und dass liberale Politik bedeutet, den Freiheitsgedanken zu vertreten, eine liberale Haltung zu vermitteln. Also sage ich mal: Fangt doch an! Macht's doch! Wer hindert sie daran, es zu tun?

Kolkmann: Wenn Gerhardt das macht und das zum fünfzigjährigen Jubiläum der Friedrich-Naumann-Stiftung in solch einer appellativen Form, könnte man auf die Idee kommen, dass die FDP ihr Potenzial im Augenblick nicht ausschöpft.
Hirsch: Ja, den Eindruck muss man haben, aber das darf man natürlich nicht alleine bei Herrn Gerhardt oder bei Herrn Westerwelle abladen. Die Führung einer Partei besteht ja aus dem Präsidium, aus dem Bundesvorstand, aus der Bundestagsfraktion. Da erwarte ich nun, wenn die Beteiligten erkennen, dass sie bestimmte publizistische Defizite haben oder in der Darstellung, dass sie sich nun an dieser Diskussion beteiligen. Herr Gerhardt stellt ja eine Analyse dar, er stellt mehr Fragen, als er beantwortet. Man fragt sich nun, gut, wenn ihr also die Probleme seht, wie wollt ihr sie lösen?

Kolkmann: Man fragt sich, wo sind denn die Protagonisten der FDP im Augenblick abgeblieben, sowohl bei den steuerlichen und wirtschaftlichen Experten, und vor allen Dingen in der Debatte um die innere Sicherheit, um den Datenschutz, hat sich die FDP nicht sonderlich profiliert. Hat sie Angst vor dem Streit, vor der Auseinandersetzung mit dem Innenminister?
Hirsch: Nein, in dem letzten Punkt muss ich Ihnen ausdrücklich widersprechen. Die FDP-Fraktion hat ja dieses wirklich merkwürdige Vorratsdatenspeicherungsgesetz vehement abgelehnt. Ich denke, dass Herr Stadler, Frau Leutheusser in der Fraktion und im Bundestag eine wirklich wichtige und gute Rolle spielen.

Kolkmann: Was ist mit der Steuer- und Wirtschaftspolitik? Wo sind Solms, Thiele und Brüderle?
Hirsch: Die Kollegen, die Sie genannt haben, haben sich ja zur Erbschaftssteuerfrage geäußert, zu einer ganzen Reihe … Die Frage ist immer, was bewegt die Leute wirklich und wie kommen sie als Opposition in den Medien durch? Ich glaube nicht, dass das Problem der FDP in diesen Bereichen liegt, sondern darin, dass die Positionen, die sie vertritt, dass sie nachhaltiger vertreten werden müssen und eindeutiger. Ich komme noch mal zurück auf das Papier von Herrn Gerhardt. Die demographischen Probleme werden dargestellt, also, dass die Altersversorgung auf eine neue Basis gestellt werden muss. Aber es fehlt die Antwort, wie die Basis aussehen soll und wie man dahin kommen will. Oder es wird gesagt, Mindestlöhne schaffen keine Arbeitsplätze. Richtig, aber wie wollen wir verhindern, dass der Wettbewerb dazu benutzt wird, um an die staatlichen Mittel heranzukommen und sie auszubeuten durch diejenigen, die die Löhne zahlen, von denen man nicht mehr leben kann? Oder Gerhardt stellt dar, dass die Bildungssysteme geradezu entscheidend sind für die Zukunft unseres Landes, aber er sagt nicht, wie er sie verändern will! Das vermisse ich eigentlich bei allen Führungskräften der FDP, nicht nur klare Fragen, sondern klare Antworten!

Kolkmann: Wenn man böse wäre, könnte man ja sagen, dass Gerhardt Allgemeinplätze versammelt hat, auf der anderen Seite entnehme ich auch dem, was Sie eben gesagt haben, dass Sie den Sachverstand bei der FDP durchaus angesiedelt sehen, nur aber dringt er nicht wirklich durch. Aber das liegt ja nun wirklich wieder am Führungspersonal! Wird der Vorsitzende der Partei nach wie vor - auch gerade von Kreisen der Industrie - als Spaßpolitiker nicht ernst genommen?
Hirsch: Das halte ich für ungerecht, das ist ja unbestreitbar, dass er einer der - jedenfalls in der Opposition -, einer der besten Redner des Bundestages ist. Aber was eben fehlt, ist die Nachhaltigkeit der Aussagen, die die Fraktion insgesamt macht, also, dass sie nicht nur Fragen stellt, die richtigen Fragen stellt, sondern die Fragen auch richtig beantwortet.

Kolkmann: Wie wichtig wäre es denn jetzt, Gas zu geben, auch im Hinblick auf die Bundestagswahl 2009?
Hirsch: Na, wir haben erst mal zwei Landtagswahlen vor uns, in Hessen und in Hamburg. Ich glaube, dass die politische Landschaft in dem gegenwärtigen Jahr geprägt sein wird von der Frage, wie die Partner der Großen Koalition miteinander umgehen und ob unter den Wahlkämpfen, denen wir entgegengehen, etwas erhalten bleibt, was in Gefahr ist, nämlich die Gemeinsamkeit der Demokraten. Natürlich muss die FDP, kann sie nicht schweigend danebenstehen. Ich bin ebenso gespannt wie mancher andere darauf, was wir am Dreikönigstag in Stuttgart hören werden.

Kolkmann: Kann die FDP auch jetzt bei den Landtagswahlen, oder je nachdem, welchen Erfolg sie bei den bevorstehenden Landtagswahlen hat, eine wichtige Visitenkarte abgeben für Koalitionsaussagen zugunsten der Union, die dann auch auf den Bund abstrahlen könnten?
Hirsch: Mir wäre es nicht so wichtig, welche Koalitionsaussage sie macht, sondern mir wäre es wichtig, dass sie eine eindeutige, liberale Politik formuliert, und dann den Wähler entscheiden lässt, welche Koalitionen sich aufgrund einer solchen Aussage bilden lassen. Das Ziel kann ja nicht sein, eine Koalitionsaussage zu machen und zu versprechen, sondern das Ziel kann doch nur sein, eine liberale Politik zu versprechen und den Leuten, den Wählern, vorher exakt zu sagen, was man im Einzelnen darunter versteht, wie man die Probleme der Menschen lösen will. Und da fehlt manches, finde ich.

Quelle: DeutschlandRadio Kultur, 4.1.2008

"Das Papier ist gut"


Otto Graf Lambsdorff stellt sich hinter Gerhardt
Moderation: Bettina Klein
Der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff stellt sich hinter die Überlegungen Wolfgang Gerhardts zur Außendarstellung der Partei. "Das Papier ist in Ordnung. Das Papier ist gut. Ich sehe darin keinen Angriff auf irgendjemanden", sagte Graf Lambsdorff.


Bettina Klein: Erfahrungsgemäß hat, wer es in Iowa schafft, gute Karten, am Ende tatsächlich in dem Kampf ums Weiße Haus im Herbst zu ziehen. Doch wie ist das in diesem Jahr, in dem alles so offen ist wie nie zuvor in den vergangenen Jahrzehnten? Ein Blick auf die Stimmung in Amerika, das ist ein Thema im Gespräch mit dem Ehrenvorsitzenden der FDP, Otto Graf Lambsdorff. Ich grüße Sie, Herr Lambsdorff! Guten Morgen!
Otto Graf Lambsdorff: Guten Morgen, Frau Klein!

Klein: Sie gelten als amerikaerfahren, als einer der Transatlantiker in der Politik, von denen es vielleicht nicht mehr so viele gibt. Was sagen Sie zu dieser ersten Entscheidung heute Nacht in Iowa?
Lambsdorff: Ich bin beeindruckt von dem Ergebnis, das Barack Obama in Iowa erzielt hat. Ich hatte zwar im Stillen damit gerechnet, dass er besser sein könnte bei dieser Vorwahl als Hillary Clinton. Aber dass es so deutlich werden wird, das war mir nicht klar. Auf der republikanischen Seite bin ich nicht überrascht, dass das Durcheinander und die Unklarheit sich fortsetzt. Erste Kandidaten scheiden aus, Joe Biden zum Beispiel. Aber es bleiben zu viele Namen, und New Hampshire wird vielleicht eine weitere Vorentscheidung bringen. Ob John McCain weitermachen kann und wirklich erfolgreich, aussichtsreich ins Rennen gehen kann, wird sich in New Hampshire klarer zeigen als in Iowa.

Klein: Haben Sie einen Wunschkandidaten?
Lambsdorff: Frau Klein, Wunschkandidaten, ich bin ja zum Glück nicht deutscher Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin. Sind wir auch alle mal schlecht beraten, wenn wir so was genannt haben und hinterher kam ein anderer. Dann gab es großen Ärger. Ich erinnere an die Bevorzugung von Gerald Ford durch Helmut Schmidt, und dann wurde Herr Carter gewählt. Das hat die Beziehungen mit Jimmy Carter nicht verbessert für die vier Jahre seiner Präsidentschaft. Aber, wie gesagt, ich bin nicht deutscher Bundeskanzler.

Klein: Und deswegen können Sie eigentlich eine Meinung abgeben jetzt.
Lambsdorff: Eine sehr theoretische Meinung. Für mich wäre es ein Traumpaar, wenn John McCain Nummer eins und Barack Obama Nummer zwei als Vizepräsident auf dem Ticket erschienen. Das geht natürlich nicht. Und wir müssen auch im Übrigen überlegen, das wird wenig erwähnt bisher, dass der Bürgermeister von New York, Michael Romney der aus der republikanischen Partei kürzlich ausgetreten ist ...

Klein: Bloomberg meinen Sie?
Lambsdorff: ... unabhängig noch ins Rennen gehen kann. Der Mann hat ungeheuer viel Geld und ist ein begabter Politiker und hält sich alle seine Optionen offen.

Klein: Wie sehen Sie das? Barack Obama erntet im Moment wahre Begeisterungsstürme, zumindest auf Seiten der Demokraten. Vor etwa einem Jahr haben wir gefragt, ist dieses Land, sind die Vereinigten Staaten von Amerika reif für eine Frau wie Hillary Clinton im Amt des Präsidenten oder der Präsidentin? Jetzt muss man vielleicht fragen, ist das Land reif für einen Mann wie Barack Obama? Kann er die Herzen aller Amerikaner gewinnen? Wie sehen Sie das?
Lambsdorff: Das sieht jedenfalls ein wenig so aus. Ich will da kein vorschnelles Urteil fällen. Man muss das abwarten. Aber beides wäre ja erstmalig, sowohl eine Frau im Weißen Haus wie ein Schwarzer im Weißen Haus. Das hat es noch nie gegeben. Bloß ob die Amerikaner so weit sind, das kann ich nicht vorhersagen. Ich weiß es nicht. Aber Obama hat jedenfalls eines geschafft, er hat Vertrauen geschaffen für sich. Er hat Zutrauen gewonnen. Er gibt den Leuten den Eindruck, dass er ein ehrlicher, charaktervoller Kandidat ist. Und Hillary Clinton führt alle ihre Erfahrung, die sie in vielen Jahren gesammelt hat, ins Gefecht. Aber die Leute trauen ihr nicht so ganz. Eine Mehrheit meiner amerikanischen Freunde aus der demokratischen Seite haben mir in den letzten Wochen und Monaten gesagt: Ich mache Wahlkampf für Barack Obama. Das ist derjenige, auf den wir setzen.

Klein: Graf Lambsdorff, lassen Sie uns kommen vom Vorwahlkampf jenseits des Atlantiks zu den bevorstehenden Landtagswahlen in Deutschland, die man wohl auch vor Augen haben muss, wenn man sich die Entscheidung des früheren FDP-Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt anschaut, der mit einem eigenen Grundsatzpapier, müssen wir es wohl nennen, an die Öffentlichkeit gegangen ist und das nicht nur in einem Landtagswahlkampf oder Landtagswahlkämpfen, sondern auch kurz vor dem traditionellen Drei-Königs-Treffen der FDP. War das ein Vorstoß, der notwendig gewesen ist aus Ihrer Sicht?
Lambsdorff: Ob der Zeitpunkt notwendig ist, darüber kann man streiten. Wolfgang Gerhardt hatte mir sein Papier vor etwa 10 bis 14 Tagen geschickt. Ich habe es gelesen. Ich habe ihm geschrieben und habe ihm gesagt, ich habe mit dem Inhalt überhaupt keine Probleme. Ich finde das Papier gut. Ich wundere mich nur, aber das liegt an der nachrichtenarmen Zeit, was jedenfalls deutsche Politik anbelangt vor dem Drei-Königs-Treffen, ich wundere mich nur, was die Medien alles da hinein interpretiert haben: Ein Angriff auf Herrn Westerwelle, ein Angriff auf die Parteiführung in toto, eine völlig neue Positionierung, das stimmt ja alles nicht. Die haben entweder das Papier nicht gelesen oder, wie ich schon sagte, sie nutzen eben mal wieder die Zeit bis zum 6. Januar, um ein paar Schlagzeilen zu produzieren. Sehr seriös finde ich das Ganze nicht.
Das Papier ist in Ordnung. Das Papier ist gut. Ich sehe darin keinen Angriff auf irgendjemanden. Dass es ein Thema in der FDP gibt der Selbstdarstellung, wie kommen wir rüber als größte Oppositionspartei mit unseren Positionen, das ist überhaupt nicht neu. Das hat es immer schon gegeben, und das verstärkt sich jetzt auch noch einmal wieder, und das hat auch ein wenig damit zu tun. Aber auch diese Aufforderung ist nicht neu, die Bitte und die Aufforderung an Guido Westerwelle zu richten, es müssen ein paar mehr von den Jüngeren auch nach vorne ins Rampenlicht kommen, auch sichtbar werden. Die Partei muss vielleicht auf etwas breiteren Schultern Wahlkämpfe führen.

Klein: Aber, Graf Lambsdorff, so einig scheinen sich ja Westerwelle und Gerhardt nicht zu sein, wenn der amtierende FDP-Vorsitzende sich bemüßigt fühlt, zumindest zurückzuweisen, es würde eine One-Man-Show geben in der Partei und auch zu sagen, er sieht eigentlich keinen Anlass, einen Kurs zu ändern. Wirklich abgesprochen gewesen kann das ja nicht gewesen sein mit ihm.
Lambsdorff: Nein, ich rede ja nicht von abgesprochen. Das habe ich auch nicht gesagt.

Klein: Weshalb muss ein ehemaliger Parteivorsitzender dann einen Vorstoß wagen? Wolfgang Gerhardt ist ein Politik- und Medienprofi. Er wird die Wirkung ja mit einkalkuliert haben, die das jetzt hat Anfang Januar?
Lambsdorff: Ich glaube nicht, dass er diese Wirkung einkalkuliert hat. Aber wenn Sie ihn selber fragen, wahrscheinlich wird er es dann aber nicht bestätigen. Da müssen Sie ihn selber fragen. Das scheint mir alles ein bisschen sehr weit, wie ich gesagt habe, interpretiert zu sein. Aber wollen wir mal auch nichts Unredliches und Unehrliches erzählen. Warum sollen nun Westerwelle und Gerhardt, die jahrelang zwar zusammen gearbeitet haben, aber auch verschiedene Positionen eingenommen haben, von denen der eine dem anderen wieder am Ende abtreten musste, sollen die nun plötzlich herzliche, persönliche, intime Freunde geworden sein? Wie denn? Politik ist ein hartes Geschäft.
Aber das Wesentliche dabei ist, dass es darum geht, der Partei eine bessere Ausgangsposition für die Landtagswahlen zu schaffen, erstrecht für die Bundestagswahl. Und da werden Sie sehen, werden beide am gleichen Strang ziehen. Wolfgang Gerhardt hat angekündigt, er wolle wieder kandidieren für den Bundestag. Das finde ich gut, auch aus der Sicht der Friedrich-Naumann-Stiftung. Ich bin ja als Vorsitzender der Naumann-Stiftung auch noch zeitweilig im Bundestag gewesen. Das tat der Stiftung gut. Also ist das eine richtige Entscheidung von Wolfgang Gerhardt, aber die begrenzt sie natürlich auch innerhalb der Partei. Denn das Stiftungsgesetz schreibt uns vor, dass Funktionsträger der Partei nicht Vorstandsmitglieder der Stiftung sein dürfen.

Klein: Aber Graf Lambsdorff, sehen Sie Korrekturbedarf am derzeitigen Kurs der FDP oder nicht?
Lambsdorff: Inhaltlich nein.

Klein: Dann ist ja wirklich die Frage: Weshalb musste dieses Papier von Gerhardt dann sein, wenn eigentlich alles in Ordnung ist?
Lambsdorff: Nein, weil es durchaus richtig ist und vielleicht sogar auch notwendig ist, noch einmal zu betonen, wo die bildungspolitischen, und Bildung spielt eine ganz entscheidende Rolle für die zukünftige, auch wirtschaftliche und Arbeitsmarktentwicklung, Vorstellungen der FDP liegen. Das ist Wolfgang Gerhardt als erfahrener Bildungs- und Wissenschaftspolitiker, er hat dieses Amt immerhin vier Jahre in der hessischen Landesregierung mal bekleidet, der richtige Mann, das zu formulieren. Das ist interessant zu lesen und in weitesten Teilen zustimmungsfähig.

Klein: Die Einschätzung von Otto Graf Lambsdorff, Ehrenvorsitzender der FDP. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Lambsdorff.
Lambsdorff: Wiederhören.

Quelle: Deutschlandfunk - Interview, 4. Januar 2008

Freitag, 15. Juni 2007

Fade FDP

Ein Kommentar von Hans Peter Schütz

Seit 20 Jahren wechselt Guido-Mobil-Fahrer Westerwelle seine Positionen wie Hemden. Hauptsache, 2009 wird gelb gewählt. Was konkrete politische Aussagen angeht, ist für Herrn Westerwelle nur eins gewiss: Andrea Nahles' Wandschmuck ist "zum Kotzen".

Was nun ist die Botschaft der FDP? Welches Signal hat der Parteivorsitzende Guido Westerwelle zum Auftakt des Stuttgarter Parteitags der Liberalen gesetzt? Nix genaues weiß man nicht, auch nicht nach 90 Minuten Rede-Show des Parteichefs. Er ist für ein flexibles Rentenalter - näheres erfuhr man nicht. Er plädiert für eine bessere Bildungspolitik, die mit dem wichtigsten deutschen Rohstoff, den Köpfen der Kinder, besser umgeht. Was und wie? Keine Antwort. Natürlich ist er für die "Globalisierung der Menschenrechte." Schön und edel klingt das. Dass auch hierzulande damit im argen liegt, regt Westerwelle weniger auf. Konkret wurde er nur bei der SPD-Linken Andrea Nahles, in deren Zimmer ein Bild von Fidel Castro hängt. Das findet der FDP-Chef "zum Kotzen." Das immerhin war eine klare Ansage.
Bei den politischen Botschaften war präzise nur eine zu hören: Wir wollen wieder regieren. Wir müssen wieder drankommen. Opposition ist Mist. Wie und mit wem, das scheint der FDP egal zu sein. Jedenfalls hat Westerwelle die Koalitionsfrage komplett ausgeklammert. Wir könnten es besser, sagt er. Die Schwarzen können es nicht, die Roten sowieso nicht. Mit wem also wollen es die Liberalen eigentlich besser machen?

15 Prozent schrumpften zu neun

Das Kalkül, alles im Nebel der Unverbindlichkeit zu lassen und auf neue Wähler zu hoffen, wird nicht aufgehen. Zwar hat die FDP in den vergangenen Jahren wieder Fuß gefasst in den Ländern. Sie ist nicht länger die Dame ohne Unterleib. Die Mitgliederentwicklung ist stabil. Aber schon jetzt zeigt sich in den aktuellen Umfragen, dass der Trend wieder nach unten geht. Von den gut 15 Prozent, die sie nach der Bundestagswahl schon hatte, sind gerade noch mal neun Prozent geblieben. Es zeigt sich einmal mehr: Was die CDU hinzu gewinnt, geht vor allem zu Lasten der FDP. Das ist wie bei kommunizierenden Röhren. Nur, eine regierungsfähige schwarz-gelbe Mehrheit wird daraus nicht. Es ist letztlich wie es fast immer in der Geschichte der FDP war, von den Tagen des programmatischen Aufbruchs mit dem Freiburger Programm abgesehen: Sie ist die Partei der gutbürgerlichen Mitte, angepasst an die politischen Mainstreams. Weit entfernt von jenem Geist, den die Parteiväter mit dem Etikett des Freisinns vor sich hertrugen. Fad wie nie zuvor kommt sie daher, etwa wie Anfang der sechziger Jahre, als Ritterkreuzträger Mende die Partei ähnlich stramm und unverbindlich tönen ließ wie heute Westerwelle.

20 Jahre Westerwellismus
Profil? Fehlanzeige. Es ist bezeichnend, wenn Westerwelle sich durch die geplante Schnüffelei in den Computern der Bürger "beunruhigt" sieht. Dass Demonstranten neuerdings mit Tornados bespitzelt werden, hätte bei seinen Altvorderen Gerhart Baum und Burkhard Hirsch Wutanfälle ausgelöst. Der glatte Machtpolitiker ist wegen eigener Standpunktlosigkeit für alles ein bisschen: Für Bürokratieabbau, na klar. Für Reform des Arbeitsmarkt, wie genau erfährt man nicht. Und am undeutlichsten bleibt der FDP-Ruf nach einer Reform des Sozialstaats, denn der genau könnte die bekannte Zahnarztgattin weiterhin abschrecken, die zurzeit ohnehin lieber Grün wählt. Was die CDU von diesem potentiellen Partner denkt, hat soeben der CDU-Wirtschaftsrat mitgeteilt: Die CDU möge sich doch bitte in Richtung Grüne öffnen, eine schwarz-grüne Koalition sei denkbar. Das ist alles andere als eine Vertrauenserklärung in Richtung FDP.
Wer diese Partei wählt, bekommt den bekannten Westerwellismus. Er hat in 20 Jahren seine Positionen wie Hemden gewechselt. Die Wiedergeburt des kantigen liberalen und prinzipientreuen Freisinns ist von ihm nicht zu erwarten. Er will einfach nur drankommen 2009. Egal wie und zu welchen Preisen. Zu genau weiß der schlichte Koalitionstratege Westerwelle, dass seine Tage an der Spitze der Liberalen gezählt sind, wenn er die Rückkehr an die Futtertröge der Macht nicht packt. Zwar würde er dafür am liebsten mit der Union koalieren. Aber man kann wetten, dass er zu allererst seine Macht retten will. Dafür wird er in jedwedes Koalitionsbett steigen, und sei es rot-grün-gelb.